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The Mandolin Picker´s Guide to Bluegrass Improvisation: das Interview

Von Volker Dick

Der in Deutschland lebende Däne Jesper Rübner-Petersen gehört zu den profiliertesten Mandolinenspielern Europas. Ob Bluegrass oder Jazz: Immer wieder begeistert der Künstler durch seine Virtuosität. Jetzt hat er bei Mel Bay ein Buch vorgelegt, in dem fünf Jahre Arbeit stecken: „The Mandolin Picker´s Guide to Bluegrass Improvisation“. Im Interview erzählt Jesper Rübner-Petersen, wie es zu dem Buch kam, wer davon profitieren kann und warum es hilft, ein besserer Musiker zu werden.

VD: Lieber Jesper Rübner-Petersen, wie kam´s überhaupt zu der Idee, ein Buch über Improvisation auf der Mandoline zu schreiben, noch dazu spezialisiert auf Bluegrass?

JRP: Ich habe mich in meiner musikalischen Laufbahn von Anfang an für das Thema Improvisation interessiert. Als Jugendlicher war ich fasziniert von den Musikern, die bei einem Bluegrass-Jam oder auf der Bühne ein improvisiertes Solo abliefern konnten. Auf Nachfrage bei den Künstlern gab es aber oft keine befriedigende Antwort und die A-Blues-Tonleiter, die mein damaliger Gitarrenlehrer mir gezeigt hatte, klang auch nicht wie Bluegrass. Erst als ich entdeckte, dass ich den „Lester-Flatt-G-Run“ auf die verschiedenen Akkorde transponieren und damit mein erstes „improvisierte Solo“ spielen konnte, kam ich langsam auf den richtigen Weg. Mein Interesse an Jazz und das Studieren von Theorie-Büchern haben mir auch beim Analysieren von improvisierten Bluegrass-Soli geholfen. Weil ich mit Bluegrass aufgewachsen bin und weil es auf dem Markt keine derartig umfangreichen Bücher über Mandolinen-Improvisation gab, war es für mich nahe liegend, das Buch zu schreiben, das ich selber damals als Improvisations-Anfänger vermisst habe.

VD: An wen richtet sich das Buch in erster Linie?

JRP: Ich glaube, dass jeder Mandolinen-Spieler irgendetwas aus dem Buch erfahren kann. Der Guide ist eigentlich so aufgebaut, dass man Schritt für Schritt das Improvisieren lernt. Aber man kann auch anders an das Buch herangehen. Fortgeschrittene Musiker werden sich eher Themen herauspicken, die sie interessieren und damit weiterarbeiten. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass viele von den im Buch vorgestellten Techniken dazu benutzt werden können, um eigene Soli zu komponieren, die dann wie improvisiert klingen. So wird mit Sicherheit jeder „seine Kapitel“ finden.

VD: Welche Fehler werden denn beim Improvisieren auf der Mando häufig begangen? Wo liegen die Fallstricke?

JRP: Beim Bluegrass ist es kaum möglich, ein Solo zu improvisieren, bei dem nur eine Tonleiter benutzt wird, wie man es vielleicht von Blues und Rock kennt. Viele Neulinge im Bluegrass wissen nicht, dass man beim Improvisieren im Prinzip auch bei jedem Akkord-Wechsel einen Tonleiter-Wechsel vollziehen sollte. Dass man innerhalb eines Liedes oft Tonleiter-Wechsel machen muss, klingt vielleicht kompliziert, aber so schwierig ist es auch nicht. Den größten Fehler, den man machen kann, wenn man das Improvisieren lernen will, ist nicht dabeizubleiben.

VD: Inwieweit sind Deine jahrelangen praktischen Erfahrungen als Musik-Lehrer eingeflossen?

JRP: Viele der Techniken aus dem Buch habe ich mit Teilnehmern aus meinen Workshops und mit Privatschülern ausprobiert. Und ich bin froh, dass ich diese Möglichkeit hatte, so meine Ideen zu testen. Das Schwierige für mich, als ich das Buch schrieb, war es, das Ganze in kurzen Sätzen zu erklären. Mit Schülern hat man immer die Option, die Techniken aus verschiedenen Perspektiven zu erklären, was in einem Buch natürlich nicht möglich ist. Zudem war mir der Amerikaner Spencer Sorenson, der das im Buch verwendete Englisch Korrektur gelesen hat und selbst Mandoline spielt, eine große Hilfe. Zusätzlich zur Korrektur nahm Spencer sich Zeit, alle Beispiele und Erklärungen auszuprobieren. Entsprechend konnte er mir dann eine konstruktive Rückmeldung geben.

VD: Improvisation hat ja auch mit dem musikalischen Ausdruck von Gefühlen zu tun – inwieweit kann das Buch dabei helfen?

JRP: Beim Improvisieren wird im Bluegrass an den musikalischen Ausdruck von Gefühlen etwas anders herangegangen als z. B. beim Blues, wo das „Leiden“ des Musikers in dessen Solo zu hören ist. Bei Bluegrass stehen eher Dinge wie Timing und Groove im Vordergrund. Natürlich kann ein Musiker mehr oder weniger aggressiv spielen, aber die großen Gefühle werden wir im Solo auf der Bluegrass-Mando nicht finden. Jeder hat seinen eigenen „Touch“ und deswegen werden solche Themen im Buch auch nicht erwähnt. Der saubere Klang der Töne ist auch so eine Sache, die schwer zu beschreiben ist – heutzutage wird ja sogar Bill Monroes etwas unsaubere Spielweise von den Hardcore-Monroe-Fans nachgeahmt! Spieltechnische Elemente wie Betonung, Timing, Geschmack und Groove sind alles wichtige Zutaten für ein gutes Solo, was man natürlich schön bei den Meistern der Mandoline hören kann. Trotzdem klingen die guten Mandolinen-Spieler alle unterschiedlich, weil die Tonwahl, gemischt mit dem musikalischen Ausdruck des Musikers, dessen Stil ausmacht.

VD: Du schreibst, Theorie und Praxis sollten sich die Waage halten, wenn man zu improvisieren lernt. Was steckt dahinter?

JRP: Das Lernen der Improvisation ist so ähnlich wie das Lernen einer Sprache. Wenn man in eine neue Sprache eintaucht, ist es wichtig, ein Vokabular aufzubauen, um damit Sätze bilden zu können. Je mehr Wörter und Sätze man beherrscht, desto einfacher wird es, diese in einer Konversation zu benutzen. Liest man mein Buch hundert Mal durch, bedeutet das nicht, dass man improvisieren kann. Erst wenn man anfängt mit den Techniken zu arbeiten, wird man auch anfangen, die ersten Improvisationen spielen zu können.

VD: Zum Kapitel: „The Pentatonic Sound“ schreibst Du, dass es vielleicht das wichtigste im ganzen Buch ist – warum?

JRP: Die Dur-pentatonischen Tonleitern geben einem die Möglichkeit, das erste Solo zu spielen, das tatsächlich nach Bluegrass klingt. Außerdem sind die pentatonischen Tonleitern auch nicht allzu schwierig zu lernen. „The Pentatonic Sound“ legt die Grundsteine für alles, was danach kommt, und deswegen ist es so wichtig, sich eingehend damit zu beschäftigen.

VD: Wie entscheidend ist es, die Aufgaben durchzuarbeiten, die Du jeweils ans Ende eines Abschnitts gestellt hast?

JRP: Mit den Aufgaben verbinde ich das Ziel, die Leser dazu zu animieren, ihre eigenen Licks zu komponieren und auch ihren eigenen Stil zu finden. Auf Grund der vielen Beispiele im Buch könnte man natürlich denken, dass alle, die damit arbeiten, hinterher gleich klingen. Aber das denke ich nicht – jeder sucht sich seine Favoriten aus und kombiniert diese mit eigenen Ideen und sonstigen Einflüssen. Die auf Improvisation basierenden Aufgaben können auch mit eigenen Ideen kombiniert oder ausgetauscht werden. Sich selbst neue Improvisations-Aufgaben stellen zu können, ist mit Sicherheit eine gute Sache im Lernprozess.

VD: Double-Stops, Crosspicking, „The Blues Sound“, Monroe Style: Das Buch wirkt wie ein komplettes Kompendium der Bluegrass-Mandoline. Ist – wer das alles konsequent durcharbeitet – am Ende ein „kompletter“ Spieler?

JRP: Ich glaube nicht, dass man ein „kompletter“ Spieler werden kann. Es klingt vielleicht nicht besonders ermutigend, aber je mehr man lernt, desto mehr wird einem bewusst, wo es noch Lücken gibt. Egal wie gut man ist – es gibt immer etwas zu lernen. Derjenige, der mein Buch oder Teile davon durcharbeitet, wird mit Sicherheit ein besserer Musiker – und ist das nicht das, was wir alle werden wollen?

VD: Auf der beigefügten MP3-CD befinden sich fast 300 Tracks, das Buch enthält fast so viele Licks – wie lässt sich diese Materialfülle managen?

JRP: Ich glaube, jeder muss seinen persönlichen Weg finden, das ganze Material oder Teile davon zu managen. Mein erstes Jazz-Theorie-Buch, das ich mir vor zwanzig Jahren gekauft habe, ziehe ich ab und zu immer noch aus dem Regal. Und ich finde immer noch etwas Neues darin, das ich benutzen kann. Das Ziel derer, die mein Buch gekauft haben, sollte es sein, das Improvisieren zu lernen. Das Gute ist, dass man zum Glück nicht allzu viel wissen muss, um das erste kleine Solo improvisieren zu können. Danach läuft alles Schlag auf Schlag – wenn man dran bleibt! Ich hoffe, dass mal jemand zu mir kommen und erzählen wird, dass er wegen meines Buchs jetzt besser improvisieren kann. Dann haben sich die fünf Jahre Schreiberei für mich mehr als gelohnt.

VD: Wer wird denn künftig noch Deine Workshops besuchen, wenn erstmal alle genug damit zu tun haben, Dein Buch durchzuarbeiten?

JRP: Ich hoffe, dass die Leute, die mein Buch gekauft haben, auch ab und zu einen meiner Workshops besuchen, um mir Fragen zu den Kapiteln zu stellen. Außer dem Improvisieren werden bei den Workshops auch andere Themen wie „The Bluegrass Sound“, Lieder-Begleitung, Tunes und Technik behandelt, was für einen lernbegierigen Mandolinen-Spieler natürlich auch wichtig ist. Der Guide sollte eine Ergänzung zum Lernen von Liedern und anderen Spiel-Techniken sein. Wenn man mein Buch vorliegen hat, ist es mit Sicherheit verlockend, sich die ganze Zeit nur mit dem Improvisieren zu beschäftigen. Aber wenn das Gehirn voll läuft, dann ist es wieder einmal Zeit, eine Fiddletune oder einen Breakdown zu spielen. Was die Anmeldungen bei den Workshops angeht, mache ich mir keine Gedanken: Viele der Teilnehmer kommen nicht nur um Neues zu lernen, sondern auch, um eine Zeit mit Gleichgesinnten zu verbringen und Erfahrungen auszutauschen – Mandolin Talk, you know!?

Bibliografische Angaben:

Autor: Jesper Rübner-Petersen

Titel: The Mandolin Picker´s Guide to Bluegrass Improvisation

Verlag: Mel Bay Publications

Bestellnummer: 22086BCD
ISBN: 078668237X
UPC: 796279110877
ISBN13: 9780786682379

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